11 Dezember 2015

Suchst du noch oder tinderst du schon?

Was die Liebe angeht, können wir beide uns eigentlich nicht beklagen. Wir sind glücklich vergeben und haben eigentlich auch nicht vor das in näherer Zukunft zu ändern.
Doch was wäre wenn wir plötzlich wieder mit dem Single-Dasein konfrontiert wären? Sind unsere Flirt-Fähigkeiten etwas eingerostet? Würde es jemanden geben, der uns daten würde?
Und vor allem: Wer von uns beiden hätte die besseren Chancen?

Wir wollen ein spannendes Experiment wagen. Eines, welches auf einem für uns völlig unbekanntem Terrain stattfindet - nämlich auf der Onlinedatingplattform "Tinder".
Hier sieht der Nutzer auf den ersten Blick nur das Profilbild, Name und Alter eines Singles in seiner Nähe. Aufgrund des ersten Eindrucks kann man die Person auf seinem Smartphone entweder nach links (kein Interesse) oder nach rechts (Interesse) wischen. Wischen sich zwei Personen beide nach rechts, ist das ein Match und man kann miteinander in Kontakt treten.

Also stellt sich die Frage:

Wer bekommt in einer Woche die meisten Matches auf Tinder?

Natürlich betrachten wir das Ganze mit einem kleinen Augenzwinkern. Uns ist der Ruf dieser Dating-App bekannt. Inzwischen gibt es allein in Deutschland etwa 2 Millionen Nutzer. Und dass wirklich alle ernsthafte Absichten auf eine feste Partnerschaft haben, ist wohl recht zweifelhaft. 
Hier möchten wir uns nun auch offiziell bei all denjenigen entschuldigen, denen wir im Zuge dieses Projekts vielleicht falsche Hoffnungen gemacht haben! Was tut man nicht alles für die Uni....


Wir klären unser Vorhaben also mit unseren Freunden ab, (meiner zumindest hat gar nichts dagegen) und laden uns die App aufs Handy. Ich brauche zwei Anläufe für die Installation, denn die App greift auf meine Facebook-Profilbilder zu. Und ein Urlaubsbild zusammen mit dem Freund kommt hier wahrscheinlich nicht so gut an.
Nun gut, also App deinstallieren; Foto auf Facebook löschen und neues Profilbild einstellen; App neu installieren ... das sieht nun schon besser aus.
Fünf Profilbilder sind jetzt auf Tinder von mir zu sehen und außerdem mein Alter, meine Uni und meine unzähligen Gefällt-mir-Angaben von Facebook.
Eine kurze Beschreibung über mich füge ich nicht hinzu. Die App verrät eh schon mehr über mich als mir eigentlich lieb ist. 

Ich fange also an mit dem wilden "Gewische". Es ist spannend zu sehen, wie sich die Leute hier präsentieren. Und es klappt auch tatsächlich ziemlich schnell mit den Matches, schneller als ich gedacht hatte. Schon am ersten Tag komme ich auf 36 Matches.



















Auch einige Nachrichten bekomme ich schon. Die meisten sind jedoch ziemlich unspektakulär. Von plumpen Anmachen und Zweideutigkeiten ist hier noch nichts zu sehen.
Ich wische die Männer jedoch nicht willkürlich nach rechts um so viel Matches wie möglich zu bekommen. Ein "Like" bekommen nur die, die mir auf den ersten Blick sympatisch erscheinen und die ich vielleicht auch wirklich kennenlernen würde, wenn ich denn Single wäre.

Schnell erkenne ich die wahnsinnige Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit, die mit Tinder einhergehen. Es reicht nur eine halbe Sekunde um zu entscheiden, ob ich die Person kennenlernen würde oder nicht. Oft ist es nur das Alter oder sogar der Name, der reicht um denjenigen nach links ins Nirwana zu wischen.
Ein paar Mal ertappe ich mich dabei wie ich so schnell nach links wische, dass ich mir selbst schon gar keine Reaktionszeit mehr lasse.
"Oh, der sah ja eigentlich ganz nett aus", denke ich manchmal, doch da ist er schon wieder weggewischt.

Am dritten Tag bin ich schon bei 111 Matches angelangt und etlichen weiteren Nachrichten. Viele bestehen aus einem einfachen "Hey!" oder "Hallo". Manches sind Komplimente, die frau natürlich immer gerne hört. Und manche sind tätsächlich richtig kreativ!





Und der Preis für die kreativste Nachricht geht eindeutig an ihn hier:



Bevor ich ihnen allen sage, weswegen ich wirklich auf Tinder bin, schreibe ich den meisten jedoch gar nicht zurück. Besonders bei lieben und netten Nachrichten fällt mir das schwer, denn ich will ja schließlich niemanden verletzen.
Vermutlich bin ich jedoch etwas zu naiv für Tinder. Denn hinter vielen sympathischen Nachrichten steckt wahrscheinlich mehr.
"Das ist doch alles nur Taktik", sagt auch mein Freund, der einen prüfenden Blick in mein Tinder-Profil wirft. "Die wollen doch eh nur das eine."
Sicher trifft das nicht auf alle zu aber auf einige bestimmt. Wie um mir das zu beweisen, bekomme ich tatsächlich noch solch eine eindeutige Nachricht:

 

Am Ende der Woche vergleichen wir schließlich die Anzahl unserer Matches und es steht nun 429 zu 160 für Anja S.!

Somit gewinnt Anja S. das Tinder-Duell mit 429 Matches!

Entweder habe ich etwas besonders falsch oder sie besonders richtig gemacht. Vermutlich war ich viel wählerischer in meiner Männerauswahl. Ein paar der teils sehr amüsanten Nachrichten, die sie bekommen hat, sind hier am Ende zu finden.

Mein Fazit ist jedenfalls:
Ich bin schon fast froh, dass die Tinder-Woche nun vorbei ist. Irgendwie ist der ständige Kontakt mit Fremden und das stetige Mustern und Begutachten von Profilen anstrengend.
Man fühlt sich etwas zurückversetzt in die Zeit von ICQ, wo man bei lustigen Spielchen mit dubiosen Fremden Nachrichten austauschte.
Tinder mag eine nette Spielerei sein und manch einer mag dort auch den passenden Partner gefunden haben, doch allzu ernst nehme ich die Sache nicht. Wenn jemand auf der Suche ist, dann gibt es sicher noch bessere Alternativen als das Herumwischen auf dem Handy.

Anja S. Fazit:
Endlich haben wir auch dieses Experiment hinter uns gebracht. Entweder ich gehöre einfach nicht zu der Zielgruppe oder Tindern ist wirklich so anstrengend. Ich habe mich richtig ins Zeug gelegt und in fast jeder freien Minute vor mich hin gewischt. Auch ich habe nur Personen "geliked", die mir im ersten Augenblick tatsächlich sympathisch erschienen. Am Anfang war es noch ein bisschen merkwürdig, die User wie Ware mit "ja" oder "nein" abzufertigen, aber irgendwann gewöhnt man sich daran und wischt ohne mit der Wimper zu zucken nach rechts oder links. Vielleicht lag es am Druck durch die Challenge, aber Spaß gemacht hat mir das Ganze ehrlich gesagt nicht. Ich habe es eher als Last empfunden.

Natürlich vereinfacht die App das Leben der paarungswilligen und liebesbedürftigen Smartphone-Nutzer in gewisser Weise. Aber ist es nicht entspannter, jemanden auf dem altmodischen Weg kennenzulernen, als auf ein Handy zu starren und den Finger mit 3.000 Männer/Stunde hin und her zuwischen? Und bei hunderten von Matches den Überblick zu behalten ist auch ganz schön stressig. Selbst wenn ich Single wäre, hätte ich diese App wohl von meinem Handy gelöscht.